Eine von vielen Traditionen auf Mönchgut nannte sich „Julklapp“ und ist heute kaum noch bekannt.
Die Herkunft geht auf das schwedische „Julklapp“: Weihnachtsgeschenk zurück und setzt sich aus „Jul“ für Weihnacht und „klappa“ für klopfen zusammen. Durch den Dreißigjährigen Krieg und die nachfolgenden Friedensverhandlungen geriet die Insel Rügen unter schwedische Verwaltung. Die skandinavischen Besatzer brachten ihrerseits die eigenen Bräuche und Traditionen mit in die Region.
Nach dieser „Schwedenzeit“ (1648-1815) war laut „Atlas der deutschen Volkskunde“ im Jahre 1932 „dat Julklapp smiten“ (werfen) allgemein bekannt.
Die Vorbereitungen zum „Julklapp“ waren einfach. Man brauchte ein witziges, originelles oder liebevolles Geschenk. Es durften auch Zettel mit witzigen Sprüchen oder Gedichten sein.
Sinn sollte das Schenken und beschenkt werden sein und das alle dabei Spaß haben. Der größte Zeitaufwand galt dem Verpacken, Verknoten und Adressieren.
Am Heiligabend oder am Weihnachtstag wurde eine Tür aufgerissen. Laut polternd musste das Geschenk in die Stube oder auf den Flur geworfen werden. Dabei rief man „Hey Julklapp“.
Nach dem kleinen Schreck begann der Spaß. Die größten Geschenke waren oft die gemeinsten. Viele Schichten mussten ausgewickelt und Schachtel für Schachtel geöffnet werden. Wer Pech hatte, las da plötzlich einen anderen Namen. Dann durfte dieser sich weiter mit dem Paket beschäftigen. Großes Gelächter schallte durch den Raum, wenn in der letzten, kleinen Schachtel ein Schweineschwanz oder eine Maus, tot oder lebend, zum Vorschein kam. Wer Glück hatte, erhielt einen wundervoll ausgesuchten kleinen Gegenstand.
Das wichtigste aber war, dass der Überbringer schnell und unerkannt bleiben musste. Manchmal war er sogar maskiert oder hatte ein schwarzes Gesicht. Der Fantasie waren hier also keine Grenzen gesetzt. Oft ging ein Überbringer auch als „Bullkater“, auch „schwarzer Mann“ genannt. Das war eine scheußliche Verkleidung, denn er war mit Ruß verschmiert, hatte struppiges Haar und Hörner auf dem Kopf. Der „Bullkater“ hatte auch zwei Säcke dabei. Der eine Sack war für die „Stinker“ vorgesehen und mit Steinen gefüllt. Der andere Sack war für die „Braven“ bestimmt und mit Nüssen und Äpfel bepackt.
Als Zeitzeuge schreibt der Dichter Fritz Reuter im 30. Kapitel der „Stromtied“: „Un denn geiht de Winter- und de Wihnachtslust los, un de Boom brennt, un de Julklapp klappt.“
In unserer Familie wurde viel Wert auf Traditionen gelegt. Meine Großeltern Ilse und Karl Röse stammen aus Mariendorf und Middelhagen und wohnten viele Jahre in Göhren. Und so übergaben meine Oma und mein Opa uns Kindern die Geschenke an Weihnachten nicht einfach so. Mit einmal flog die Tür auf und mein sonst so ruhiger Opa schrie „Julklapp“ und in diesem Augenblick flogen auch schon die Päckchen rein. Meist waren es weiche Geschenke, deren Inhalt selbst gestrickte Socken, Pullover, Handschuhe oder ein neues Puppenkleid waren.
Meine Oma kann wunderbar stricken. Sie lebt mit 91 Jahren in einem Altersheim in Bergen und steht mir immer noch mit Rat und Tat zur Seite.
Ich erinnere mich gern an diese Zeit zurück. Heute steigen die Wünsche, der Kaufpreis und das Volumen ins unermessliche. „Julklapp“ mit seinen witzigen, kleinen Geschenken sollte wieder salonfähig werden. Warum sich nicht wieder auf diese wunderschöne Tradition besinnen?
Ich habe den Plan gefasst, dieses Jahr „Julklapp“ mit meiner Familie zu feiern. Bescheidenheit ist doch was Schönes! Mal sehen was meine Kinder dazu sagen, wenn ich Weihnachten mit schwarzem Gesicht ihre Geschenke vom Flur aus in die geflieste Stube werfe. Hoffentlich habe ich diese dann auch gut genug verpackt!
Ina Stöckmann, Dezember 2021
*Das Foto zeigt einen geschmückten Bügelbaum im Heimatmuseum Göhren.