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Im 19. Jahrhundert haben sich, lt. Fritz Adler „Mönchgut – das Bild einer Volkskultur auf Rügen“, nur noch vereinzelt Reste alter Sitten erhalten. Einer davon ist der Fastelawend. Bestandteil des Brauchtums war der zeitweise Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel und Getränke und galt als Läuterung “Opfer”, innerer Einkehr, Gesundung des Körpers und zur Konzentration in Vorbereitung auf bestimmte Aufgaben. Hauptsächlich wurde auf den Genuss von Fleisch verzichtet. Nur nach Sonnenuntergang wurde gegessen und getrunken. In der Regel wurde viermal jährlich drei Tage lang gefastet, vermutlich vor den jeweiligen Jahreszeiten. Nach dem Fasten wurde der mit Asche belegte Kopf mit Weihwasser besprengt. Nach diesem Brauch erhielt der Aschermittwoch seinen Namen und unter “Asche aufs Haupt streuen” verstehen wir heute das Bekennen der Schuld. Höhepunkt war der Fastelawend, die Nacht zu Aschermittwoch. Der Brauch entwickelte sich bereits Ende des Mittelalters ins Gegenteil des ursprünglichen Gedankens der Enthaltsamkeit. Höhepunkte des “Fastelawendfeierns” waren nun derbe Spiele und das “Fastelawendstaupen” (“afstupen” mit einer Rute schlagen, stupsen), die mit einem üppigen Mahl (Räucherschinken und “Heetweggen”) und Met (aus Honig und Wasser gegorenes Getränk) endeten. Nach der Reformation (2. Hälfte des 16. Jh) gab es zahlreiche Erlasse gegen das “Faselwaendtreiben”. In Stralsund gab es Verbote gegen das “Mummerien unnd andrer Tarenspele”. Es wurde untersagt, von Haus zu Haus zu laufen und Mettwürste oder ähnliches einzusammeln.

Es blieb dabei. Es ging um das Gewinnen bei Wettspielen, Staupen und dem Erbitten von Lebensmitteln, mit deren Verzehr die enthaltsame Fastenzeit beendet wurde. Den “Hungertagen” folgten “Fresstage”. Fritz Adler notierte folgenden, überlieferten Spruch.

Plattdeutsch                                                                          Hochdeutsch:

„Fastelawend, Fastelawend!                                            Fastelawend, Fastelawend,

Dese Deel is holl und boll.                                                 Diese Diele ist krumm und schief.

Vier Stieg Eier sün hiern woll.                                          Vier Stiegen Eier sind hier wohl.

Twei davon in mine Kiep,                                                   Zwei davon in meinen Korb,

De Frau ward selig un ick ward riek.                              Die Frau wird selig und ich werde reich.

Un da oben in de Höh                                                         Und da ober in der Höhe

Häng´n twei Würste,                                                           Hängen zwei Würste

Eene lange, eene kurze.                                                     Eine lange, eine kurze.

De lange schniden´s mi ab,                                               Die lange schneiden sie mir ab,

De korte latten se hängen.                                               Die kurze lassen sie hängen.

De Frau, de seggt to ihrem Mann:                                  Die Frau sagt zu ihrem Mann:

Dat hatt de Katt getan.                                                       Das hat die Katze getan.

De Mann is belogen,                                                            Der Mann ist belogen,

De Katt is betrogen,                                                            Die Katze ist betrogen,

De Wurst is in mine Kiep gepflogen“.                            Die Wurst ist in meinen Korb geflogen.

Der Dienstag vor Aschermittwoch war für uns Mönchguter Kinder ein besonderer Tag. In der Schule konnten wir es kaum erwarten, dass es endlich klingelte und wir mit dem Bus nach Hause fahren konnten. Endlich angekommen, flogen die Sachen in die Ecke und wir „tömten” uns an. Altes Kopftuch auf, Jacke an und über die wärmende Hose kam ein weiter Rock. Die Jungs hatte eine Fellmütze auf dem Kopf und wir Mädchen malten ihnen noch Bärte und ein blaues Auge an. Wir hatten einen Heidenspaß und viel vor. Unsere Route ging von Middelhagen über Mariendorf nach Alt Reddevitz. Wir gingen von Haus zu Haus und bettelten um Süßigkeiten, Äpfel und manchmal ein wenig Geld. Jede Kindergruppe hatte ihren eigenen Spruch. Folgender Spruch hatte sich bei uns bewährt:

Ri Ra Rutschenschimmel,                                                  Hochdeutsch:

wer wat giwt de kümmt in Himmel,                              wer was gibt, der kommt in den Himmel,

wer nix giwt kümmt in de Höll,                                        wer nicht gibt kommt in die Hölle,

dor steiht de Düwel mit der Botterkell.                        Dort steht der teufel mit der Butterkelle.

Rum um Busch, rum um Busch,                                      rum um den Busch, rum um den Busch,

giv mi Speck und Läwerwust,                                           gib mir Speck und Leberwurst,

lat mi nich so lang stohn,                                                   lass mich nicht so lange stehen,

ick will noch en Hus wieder gohn.                                  Ich will noch ein Haus weiter gehen.

Es war schon dunkel, als wir mit unseren vollen Beuteln aus Alt Reddevitz heimkehrten.  Aber wir hatten uns so viel zu erzählen und werteten den erfolgreichen Tag aus. War es doch auch ein großes Ziel, nicht erkannt zu werden. Wenn „de Ollen“ dann fragten: „Wat för en sünd ji?“ oder „Wo kümmt ji her?“ (Wer seid ihr? Wo kommt ihr her?), dann ging unser Plan auf.

Nun muss ich an dieser Stelle unsere schwarze Hündin Bessy erwähnen. Auch wenn wir uns noch so heimlich vom Hof schlichen, sie kam uns immer hinterher und hat uns vor jeder Tür verraten. Denn dieser Hund war kinderlieb, verfressen und dorfbekannt.

Ina Stöckmann, Mitarbeiterin Museumsgesellschaft Mönchgut Granitz, Februar 2022 (Foto: Sara und Jan)